Rührteig
Liebe Brotbackfreunde,
ich entschuldige mich dafür, dass Sie auf den neusten Newsltter so lange warten mußten. Aus persönlichen Gründen mußten verschiedene Dinge die letzten Monate zurück stehen.
Ich hoffe dieses schöne Thema versöhnt Sie und Sie haben viel Spaß beim Lesen.
Beherrschen Sie noch einfache Grundrezepte? Z.B. eine Mehlschwitze zu bereiten, eine Soße zu legieren oder einen einfachen Rühr- oder Mürbeteig zu erstellen? Warum ich das frage? Ich möchte Ihnen eine kleine Geschichte erzählen.
Meine Frau liebt Sesam, da hatte ich die Idee uns als vollwertigen Snack Sesamcracker zu backen. Als Mehl wählte ich eine skandinavische alte Weichweizensorte, die ich in meiner Steinmühle frisch vermahlte. Weizensauerteig, Tahin (Sesammus) als Fettanteil, Sesamkörner, Salz. Alles gut verknetet und bis zum nächsten Tag gereift. Dann dünn ausgerollt, mit dem Zickzackrad aufgeteilt und in den Backofen. So weit, so gut. Nach dem Backen waren die Cracker nur leider nicht so feinbröselig wie erhofft. Sie waren ganz schön hart, aber nach gründlichem Kauen doch ziemlich lecker. Leider hatte ich, ganz optimistisch, gleich drei Bleche davon gebacken. Naja, und die waren nach ein paar Tagen steinhart. Zum Wegschmeißen zu schade, einweichen? Und was dann mit der Pampe? Da kam ich auf die Idee, einen Rührteig anzusetzen.
Sie kennen das vielleicht, 500 g Mehl (meist ist damit das billige 405er gemeint), 250 g Butter (oft auch Margarine), 125 g Zucker, 4 Eier, ein Backpulver, Aromaten (oft wird Vanillin im Rezept angegeben) und so viel Milch, dass ein rührbarer Kuchenteig entsteht. Der kommt in eine gebutterte Form und geht bei 180 °C für eine Stunde in den vorgeheizten Backofen, fertig ist der Sonntagkuchen. Schmeckt irgendwie immer, ist aber nicht besonders vollwertig. Warum nicht dieses Grundrezept abwandeln und zum Retten meiner Cracker verwenden?
Zurück zu den steinharten Sesamcrackern. Die habe ich erst im Standmixer gründlich zerkleinert, dann in der Mühle zu einem feingriesigen Mehl vermahlen. Eine schöne Grundlage für einen Rührteig. Wie im oben beschriebenen Rezept vermengte ich 500 g des Sesam-Weizenmehls mit 250 g Butter, allerdings nur 50 g Zucker, dafür noch einen Teelöffel Salz, einen Esslöffel Natron, 50 ml Condimento Essig und 4 Eier und so viel Wasser, dass ein gut rührbarer Teig entstand. Gebutterte Form, in den kalten Backofen auf 180 °C eine Stunde backen. Jetzt wurde es spannend.
Leider ist der Kuchen nur wenig aufgegangen, ließ sich aber gut aus der Form stürzen. Nachdem er etwas abgekühlt war, schnitt ich ihn an. Und tatsächlich hatte sich eine gute Krume entwickelt, zwar kompakt aber porös elastisch. Und erst der Geschmack! Gut, wer jetzt einen süßen fluffigen Sonntagskuchen erwartet, wird enttäuscht sein, wer sich aber auf das Geschmackserlebnis - Sesam, leicht süß, leicht salzig, elastisches Kaugefühl und im Mund eine Vielschichtigkeit der Aromen - eingelassen hat, war begeistert. Schade nur, dass dieser deftige Kuchen so satt macht. Und das auf eine sehr nachhaltige Weise, waren doch die Grundzutaten mit der Sauerteigführung schon durchgesäuert.
Das inspirierte mich zu einem weiteren Experiment, ein Brotkuchen auf Rührteigbasis. Also aus meinem Beutel, in dem ich trockenes Brot sammle, etwa ein halbes Kilo verschiedener, meist Vollkornbrote, geklaubt. Diese im Mörser grob zerkleinert, dann im Standmixer zerkleinert und schließlich in der Mühle zu Mehl vermahlen. Und wieder nach dem Grundrezept für Rührteig das Brotmehl mit 250 g Butter, 50 g Zucker, 4 Eiern, 2 TL Natron und etwa 30 ml Condimento Essig vermengt. Damit der Teig sich gut rühren ließ, gab ich als Flüssigkeit eine Flasche Bier dazu. Dann waren da noch vier sehr mürbe Äpfel aus dem letzten Jahr, die nicht mehr schön zum Essen waren, klein gewürfelt und mit in den Teig gegeben. Zum Abrunden noch etwas Kardamom. Daraus ist ein richtig genialer Kuchen geworden. Ich denke meine nächsten Kuchen und Kekse werde ich aus altem Brot backen.
All diese Schul-Grundrezepte, meist fixiert auf immer die gleichen Zutaten, sind nicht in Stein gemeißelt. Man sollte diese Rezepte eher als Idee begreifen, als Anregung. Abgewandelt eignen sie sich ideal zum Recyclen bzw. Upcyclen von vielleicht nicht mehr so schönen oder alt gewordenen Lebensmitteln, auf dem Weg zu ganz neuen Genüssen.
Übrigens, eine Freundin, der ich von den Crackern abgegeben habe, hat aus der harten Not heraus eine andere Alternative gewählt. Sie hat die harten Cracker mit dem Hammer zu feinen Bröseln zertrümmert und streute sie sich über den Salat, ein crunchiger Genuss!
In diesem Sinne
Guten Appetit
Andreas Sommers