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Fleisch

Fleisch essen, ein Reizthema in den heutigen Tagen, warb man doch früher mit "Fleisch ist ein Stück Lebenskraft", wird der Fleischkonsum heutzutage immer mehr stigmatisiert. Was ist passiert?

 

Vorneweg einmal grundsätzlich, wir Menschen sind anthropologisch betrachtet Schmarotzer zweiter Ordnung, das bedeutet wir ernähren uns von anderen Lebewesen - den Produzenten (Pflanzen) und den Schmarotzern erster Ordnung (Lebewesen, die sich nur von den Produzenten ernähren). In unserer Frühzeit als Homo Sapiens mussten wir noch jagen, um an für uns hochwertige Proteine zu kommen. Ein unter Umständen langwieriges, anstrengendes und auch gefährliches Unterfangen. Hatte man Jagdglück und konnte ein Tier erschlagen, musste man es schnell verzehren. Zum einen gab es noch keine Kühlschränke, zum anderen hatten auch andere (tierische) Jäger Interesse, und die haben einen dann gleich mitgegessen. Wahrscheinlicher ist wohl, dass die frühen Menschen Aasfresser waren. Als der Mensch sesshaft wurde, nahm er Tiere bei sich auf, schützte sie vor ihren Feinden, sorgte für Futter und nutzte im Gegenzug ihre Arbeitskraft, Milch und dann alles was ein Tier geben konnte. Fell/Leder, Horn, Sehnen, Fäkalien und natürlich ihr Fleisch.

In einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft ist es völlig normal, Tiere zu nutzen und sie letztendlich aufzuessen. Das Tier, welches einem gut gedient hatte, wurde mit Respekt verzehrt. Fleisch zu essen, war etwas Besonderes. Bei begüterten Menschen vielleicht regelmäßig, in ärmeren Schichten die Ausnahme.

Nun haben die Tiere gearbeitet bzw. ihren Nutzen verloren und ein gewisses Alter erreicht. Das Fleisch dieser Tiere war ganz anders strukturiert als das, was die meisten Menschen heute von einem Stück Fleisch erwarten.

Haben Sie einmal versucht ein rohes Stück Fleisch zu essen? Meist handelt es sich ja um Muskelfleisch, also dehnbare, zähe Fasern. Man muss unglaublich lange darauf herumkauen, bis ein halbwegs verstoffwechselbarer Nahrungsbrei daraus entsteht. Darum grillt man es ja, werden Sie einwenden. Das mag für heute gelten, war früher aber eher unüblich, verlor das Fleisch viel zu viel wertvolles Fett ans Feuer.

Früher wusste man, was heute fast vergessen, Fleisch muss mürbe sein. Das heißt, es muss abhängen. Es wurde kein frisch geschlachtetes Fleisch gegessen. Das Muskelfleisch ist unter anderem mit Milchsäurebakterien besiedelt. Diese denaturieren die Proteine, machen sie für uns Menschen besser verstoffwechselbar. Dann hat der Mensch gelernt diesen Vorgang nicht nur zu nutzen, sondern zu verstärken - und zwar mit Salz. Bestimmte Milchsäurestämme sind halophil, d.h. sie lieben das salzige Milieu. Das Pökeln war also nicht nur eine Methode Fleisch haltbar zu machen, sondern es zu "fermentieren", also besser verstoffwechselbar für uns zu machen. Nebenbei wurden auch für uns eher schädliche Stoffe abgebaut. Weiter bekommt diese Bakterie einen Standortvorteil und nimmt anderen möglichen Mikroben den Lebensraum. Wenn heute stark verkürzt vom "roten Fleisch" als schädlich und "weißem Fleisch" als besser geredet wird, dann merkt man, dass Menschen, die dieses verbreiten, vom Fleisch als Lebensmittel eigentlich keine Ahnung haben. Fragt man unsere Altvorderen, werden Sie zu hören bekommen: Gutes Fleisch ist grau! Klingt nicht appetitlich? Wie so vieles hat der Mensch es in seinem Erfindergeist geschafft, den eigentlich guten Vorgang zu übertreiben und ins Gegenteil zu wenden. Er setzte dem Salz Nitrit zu, jetzt blieb das Fleisch schön rot. Nur leider ist dieser Zusatz gesundheitsschädlich. Nutzte man das im 19. Jhd. noch üppig, schritten ab dem 20. Jhd. die Gesetzgeber ein und gaben Grenzwerte vor, um die Gesundheitsgefahren einzudämmen. Obwohl man heute mehr denn je weiß, dass Nitritpökelsalz schädlich ist, wird von rotem und weißem Fleisch geredet, anstatt das Problem beim Namen zu nennen. Und wieder ist der Verbraucher verunsichert und kauft lieber hormonstrotzendes Putenfleisch, als ein gut abgehangenes Stück Rindfleisch (was zugegebener Weise schwer zu bekommen ist).

So möchte ich Ihnen einen guten Appetit wünschen, Ihr

Andreas Sommers