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Proteine, Eiweiße, Aminosäuren

Liebe Brotbackfreunde,

im Frühjahr und im Herbst riechen wir es, wenn die Landwirte ihre Felder mit Gülle düngen. Diese Art der Düngung gerät immer stärker in die Kritik. Können doch die Böden nur einen Teil der Nährstoffe aufnehmen und große Teile, vor allem des Stickstoffes (speziell Nitrate) gelangen ins Grundwasser. Von dort geht es weiter in die natürlichen Gewässer und führt dort oft zu explosionsartiger Vermehrung von Algen. Die Ökosysteme kommen gewaltig durcheinander. Darüber hinaus steht die Gülle in Verdacht, die Nitratkonzentration in den Nutzpflanzen unnatürlich in die Höhe zu treiben.

 

Nun ist Nitrat in Maßen für den menschlichen Organismus nicht schädlich, doch es kann sich zu Nitrit entwickeln – und das ist für uns definitiv schädlich. Warum also die Intensivdüngung mit den Hinterlassenschaften der Nutztiere? Wird die Gülle so letztendlich kostengünstig über den Boden entsorgt (wie oft behauptet wird)? Vielleicht ist da sogar etwas dran. Es gibt aber auch eine andere Erklärung.

Die Nahrungsmittelindustrie, allen voran die Großmühlen, fordern einen möglichst hohen Eiweißanteil (und somit hohen Glutengehalt) in den Getreiden. Über 12 % Protein sollten sie enthalten, ansonsten könne man angeblich kein Brot daraus backen. Solche hohen Proteinanteile lassen sich nur mit modernen Hochleistungsgetreiden erreichen – und dies auch nur bei intensiver Düngung. Würde man hier auf z. B. natürliche Düngung mittels Mikroorganismen zurückgreifen, was deutlich besser und nachhaltiger für die Böden wäre, würde das Getreide – allen voran der Weizen – einen deutlich geringeren Proteingehalt ausbilden. Diese Ernte würde nicht mehr von den Großmühlen abgenommen, und dem Landwirt bleibt nur die Verwertung in der Bio-Gas Anlage.

Erst einmal kurz zur Begriffsbestimmung, damit wir wissen, über was wir reden. „Eiweiß“ ist der umgangssprachliche Oberbegriff für „Proteine“ aller Art. Proteine wiederum setzen sich aus den verschiedensten „Aminosäuren“ zusammen. Über die Zusammensetzung der Aminosäuren definiert sich die Funktion des Proteins. Es werden z. B. Kollagene ausgebildet, die Haut, Knorpel und Muskeln ausmachen und geschmeidig halten, oder Enzyme, die alle Stoffwechselfunktionen des Körpers steuern. Zieht man den Wasseranteil des menschlichen Körpers ab, machen die Proteine über 50% der Körper(trocken)masse aus. Viele Proteine kann der Körper selber bilden, indem er (mithilfe von Enzymen) Aminosäuren so kombiniert, dass das Protein seiner spezifischen Aufgabe nachkommen kann. Vereinfacht gesagt, dröselt der menschliche Organismus die durch Nahrungszufuhr eingenommenen Proteine in seine Aminosäuren auf und kombiniert sie nach Bedarf wieder neu. Fehlen passende Aminosäuren, kann der Körper die meisten selber bilden. Diejenigen, die er nicht bilden kann, also die „essentiellen“ Aminosäuren, müssen dem Körper zugeführt werden. Nicht benötigte Aminosäuren werden zu Fetten umgebaut und deponiert bzw. ausgeschieden.

In aller Munde – und leider zu Unrecht diskreditiert – ist die Aminosäuregruppe, die unter dem Begriff „Gluten“ zusammengefasst wird. Hier finden sich essentielle Aminosäuren, die ein wichtiger Bestandteil einer vollwertigen Ernährung sind. Es macht also keinen großen Sinn, dem Körper wahllos Proteine (Eiweiß) zuzuführen nach dem Motto: Einmal in die Nährwerttabelle geguckt, welches Lebensmittel am meisten Eiweiß enthält und dann drauf los gegessen.

Leider werden in heutigen Ernährungsphilosophien die Eiweiße oft völlig undifferenziert empfohlen, ohne Rücksicht auf die Verstoffwechselbarkeit. Doch das soll heute hier nicht Thema sein.

Zurück zu unserem Getreide. Wir backen unser Brot selber, idealerweise aus frischem, wenig verzüchtetem Getreide mit niedrigeren Proteingehalten (und damit geringerem Glutengehalt). In der Kombination mit einem frischen Sauerteig und langer Teigführung ist es überhaupt kein Problem, daraus leckere, schmackhafte und vor allem bekömmliche Brote zu backen.

Sich auf der einen Seite über die Intensivdüngung der Bauern zu beschweren und dann andererseits zum Kettenbäcker zu gehen, um sich dort mit Weißmehlbackwaren einzudecken, ruft bei Landwirten, die Alternativwege beschreiten, nur Kopfschütteln hervor.

Wieder ein Beispiel, wie sehr die Nahrungsmittelproduktion sich nach den Bedürfnissen und Forderungen der Industrie richtet bzw. richten muss, wo es doch eigentlich umgekehrt sein sollte und wir uns bei der Zubereitung unserer Speisen an den Erfordernissen des Lebensmittels orientieren sollten.

Hier endet mein letzter Newsletter diesen Jahres. Ich danke Ihnen für Ihre Treue und wünsche Ihnen eine fröhliche und gesunde Weihnachtszeit, dazu immer einen guten Appetit. Freuen Sie sich auf die neuen Newsletter im nächsten Jahr, ich habe wieder viele interessante Themen in der Vorbereitung.

Herzliche Grüße

Ihr

Andreas Sommers