Was Veganer den Pflanzen antun
Tofuwurst und Seitanschnitzel. Wieso jemand, der sich für eine vegane Ernährung entschieden hat, nachgemachte Lebensmittel möchte, bleibt diesem selbst überlassen.
Aber wo kommen diese Grundzutaten eigentlich her?
Seitan wird vor allem aus Weizengluten hergestellt, ist also im Grunde genommen reines Gluten. Die Weizenfamilie (Triticale) bildet in ihren Urformen einen Proteinanteil von 7–9 %, also auch einen entsprechend niedrigen Glutenanteil. Um diesen im Getreide signifikant zu erhöhen, sind nicht nur moderne Hochleistungsgetreide notwendig, sondern auch intensivste Düngung, vor allem mit Stickstoff. Das kann mit chemischem Mineralstoffdünger geschehen, am allermeisten aber wird dafür die Gülle verwendet. Der Preis für den steigenden Glutenbedarf ist eine Intensivdüngung, zumeist mit organischem Dünger aus den Hinterlassenschaften der Nutztiere. Ähnlich verhält es sich bei der Sojabohne. Mal abgesehen von den ausufernden, Naturflächen fressenden Monokulturen, werden auch hier die Pflanzen mit (organischer) Intensivdüngung zur Produktion immer höherer Proteinanteile getrieben.
Um kostengünstig die Ausgangsprodukte für vegane Trendprodukte zu schaffen, ist also nicht nur eine intensive organische Düngung (und dazu werden Tiere gebraucht) notwendig, sondern auch die Pflanzen müssen auf höchstmögliche Erträge hin gezüchtet werden. Ähnlich wie bei der Massentierhaltung erleiden auch Pflanzten – insbesondere Getreide – Stress, wenn die einzelnen Halme zu eng stehen. Das macht das Getreide anfällig für Erkrankungen (genau wie bei den Tieren). Behandelte man diese früher mit einer Vielzahl sogenannter Pflanzenpflegeprodukte, ist man heute weiter. Da werden zusätzliche Aminosäuren in das Saatgut hineingezüchtet, um das Getreide stressresistenter zu machen. Diese Aminosäuren sind von zweifelhaftem ernährungsphysiologischem Wert und stehen im Verdacht, Allergien oder Unverträglichkeiten auszulösen.
Tier frisst Pflanze, Mensch frisst Tier ist – so verkürzt gesehen – ein unrationeller Weg der Kalorienaufnahme. Sollte man also der (intensiven) Pflanzenwirtschaft mehr Flächen einräumen und Haustiere langfristig ganz abschaffen? Haustiere (und hier ist es egal ob Kuh, Schwein, Schaf, Ziege oder Huhn) spielen in einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Böden jedoch eine sehr wichtige Rolle. Die Weidewirtschaft bietet Platz für Insekten, Pflanzen, Bienen. Schafe sind natürliche Landschaftspfleger – nicht nur auf den Deichen. Alte Schweinerassen durchwühlen die Bodenoberflächen nach frischen Wurzeln und Setzlingen und halten so den Baumbestand in Schach. Hier gibt es eine Vielzahl von Beispielen, für die es in einer ausschließlich auf vegane Ernährung ausgerichteten Wirtschaftsweise keine wirklichen Alternativen gibt. Natürlich könnte man die so genutzten Tiere am Ende ihres Lebenszyklusses würdig begraben. Aber macht das wirklich Sinn? Ist nicht eine verantwortungsbewusste Weiterverwertung von Fleisch, Knochen, Fell, usw. der nachhaltigere Umgang mit der Schöpfung, als die Kadaver in der Erde zu verscharren? Außerdem vermehren sich die Tiere. Sollte man hier Empfängnisverhütung einführen, um eine Überpopulation zu verhindern?
Eine weitere Crux sind die hochgejubelten „Superfoods“. Entdeckte die Besseresserszene vor ein paar Jahren z. B. den Quinoa, führte das zu einem rasanten Anstieg der Nachfrage dieses Lebensmittels. Das Marketing dichtete dieser Pflanze wahre Wundereigenschaften an. Genauer betrachtet entspricht der Nutzen des Quinoas in der Ernährung des Menschen in etwa unserer heimischen Hirse. Die berechneten Brennwertangaben des Quinoas wurden im Übrigen am ganzen Korn ermittelt. Die Quinoasorten, die aus Südamerika exportiert werden, sind jedoch allesamt geschält. Das bedeutet, die wertvollen, mineralstoffreichen Schalenbestandteile sind entfernt worden.
Noch schlimmer zu bewerten ist jedoch, was die starke Nachfrage in den Ursprungsländern anrichtet. War der Quinoa in der Vergangenheit das Grundnahrungsmittel armer Bauern, die diese anspruchslose Pflanze auf ihren kargen, nur durch die Lamahaltung gedüngten Böden, anbauten. So wurde in den letzten Jahren auf immer höhere Erträge gesetzt. Das geht natürlich nur durch Intensivdüngung und entsprechende Pflanzenpflegeprodukte (s.o.). Eine unselige Entwicklung, die traditionelle bäuerliche Kreisläufe zerstört und hin zu Mono- und Intensivkulturen führt – mit allen negativen Begleiterscheinungen. Die Situation sieht im Übrigen bei Goji-Beeren oder Chiasamen, usw. kaum besser aus.
Bitte verstehen Sie meine Worte nicht falsch, jeder sollte selbst entscheiden, welche Kostform er für die Richtige hält. Argumente wider die Massentierhaltung sind auf allen Kanälen zur Genüge erörtert, und oft entsteht der Eindruck, eine vegane Lebensweise wäre die Lösung.
Dem möchte ich hiermit widersprechen. Aus meiner Sicht führt kein Weg an einer verantwortungsbewussten Landwirtschaft vorbei, die natürliche Kreisläufe und Synergien aus Pflanze und Tier berücksichtigt.
In diesem Sinne: „Guten Appetit!“
Ihr
Andreas Sommers