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Warum alte Getreidesorten

Liebe Brotbackfreunde,

ich habe Sie in den letzten Wochen ein wenig vernachlässigt, dafür entschuldige ich mich. Als Bonbon möchte ich Ihnen diesen Newsletter präsentieren, wieder solide recherchiert und super aktuell.

 Ich nutze für meine Brote, aber auch für Kuchen, Kekse, Pizza, usw. immer öfter alte Getreidesorten, die wir direkt bei den Bauern kaufen und selber vermahlen. Was spricht für Emmer, Einkorn, Rotweizen, Durum, Oberkulmer, Waldstaudenroggen? Ich habe Ihnen, in Zusammenarbeit mit unseren Landwirten, von denen wir alte Getreidesorten beziehen, einmal ein paar Fakten zusammengestellt:

Bessere Verträglichkeit (das kommt vom Ernährungsberater).

Moderne Hochleistungsgetreide sind proteinoptimiert. Die Backindustrie verlangt einen Proteingehalt von mind. 12 – 14 % im Mehl und einen hohen Anteil kurzkettiger Kohlenhydrate – sprich Stärke- und Zuckermoleküle (hohe Fallzahl). Das bedeutet, dass gerade die Aminosäuren der Glutengruppe sehr stark vertreten sind. Hinzu kommen hineingezüchtete Aminosäuren für eine bessere Schädlingsresistenz und Kompatibilität mit Pflegeprodukten (z. B. Glyphosat). Stirnrunzeln erzeugt, das in der Aleunschicht des Getreidekorns, direkt unter der Samenschale, unglaublich wertvolle Aminosäuren ganz natürlich vorhanden sind, die einen sehr wertvollen Beitrag zu unserer Ernährung liefern. Sie sind essentiell, leider interessiert die Industrie nur der Anteil der Aminosäuren (Glutengruppe) im Stärkekörper des Getreidekorns.

Bei alten Getreidesorten ist im Verhältnis zum Stärkekörper, in dem sich die kurzkettigen Kohlenhydrate und die Proteine der Glutengruppe befinden, der Anteil an Schalenbestandteilen und Keim höher. Auch die Aleunschicht mit ihren wertvollen Aminosäuren ist kräftiger vertreten. Das bedeutet mehr Ballaststoffe, essentielle Aminosäuren und mehr der natürlichen Fette des Getreides. Der Glutenanteil ist eher gering und die Zusammensetzung der Glutengruppe deutlich verträglicher.

Höhere Biodiversität (hier haben die Landwirte das Wort)

Alte Getreidesorten haben ganz andere Anforderungen an Boden und Pflege. Intensivdüngung ist hier weder notwendig noch nötig. Im Gegenteil, würden die Ähren zu schwer, zu prall, könnten die Halme diese nicht mehr tragen. Darum wachsen die alten Getreidesorten wie z. B. der Emmer, das Oberkulmer Rotkorn, der Rotweizen oder der Waldstaudenroggen lieber auf mageren Sandböden.

Entscheidend ist der Aussaatzeitpunkt, hier wird sich in der Regel nach dem alten Mondkalender bzw. biologisch dynamischen Ansätzen gerichtet. Ziel unter anderem, dass die Getreidepflanzen schneller als das Unkraut wachsen. Alte Getreidepflanzen stehen nicht so eng. Es ist mehr Raum am Boden zwischen den Einzelpflanzen. Das schafft Platz für am und im Boden lebende Kleinstlebewesen. Ausserdem wird das Feld besser durchlüftet, das schützt vor Pilzbefall der Ähren.

Meist werden die alten Sorten auf kleinen Parzellen von 1 – 2 ha angebaut. Es gibt keine großen Intensivflächen, die wie eine nicht überwindbare Barriere für den Insektenflug wirken. So kommt es auf den kleinen Flächen zu deutlich mehr Insekten, die wiederum die Nahrungsgrundlage für andere Tiere wie z. B. Vögel sind.

Und dann werden die Felder nach der Aussaat bis zur Ernte in Ruhe gelassen, keine noch so gut gemeinte „Pflanzenpflege“ stört das Feld, viel Zeit für diverse Flora sich auf diesem Feld für eine Fortpflanzungsperiode einzurichten.

Mehr Landschaftspflege nötig

Moderne Getreide werden niedrig gezüchtet, damit Windböen auf großen Feldern sie nicht umwerfen können. Alte Getreide wachsen noch sehr hoch, der Waldstaudenroggen z. B. bis zu 2 Meter. Hier ist Schutz der Felder durch dichte Knicks oder kleine Waldstücke notwendig, was wiederum die Biodiversität unterstützt. Und es hat einen weiteren Grund. Die durch Intensivdüngung und Pflege gemästeten Getreideähren, ausschließlich auf Protein und Stärke/Zucker gezüchtet, können von ihren eigenen Halmen nicht mehr getragen werden, es kommt zu sogn. Lagergetreide, schwer verwendbar. Hinzu kommen immer größere Äcker ohne natürlichen Schutz durch z. B. Knicks oder Wälle. Sie müssen sich auf den Äckern der Agrarindustrie klein machen. GPS-gestützte landwirtschaftliche Maschinen brauchen berechenbare Äcker, welche die am besten aus dem Weltraum kartografierbar sind.

Alles muss berechenbar und vorkalkulierbar sein, darum werden Äcker in Bodenpunkte eingeteilt, um ihre optimale Nutzbarkeit in wirtschaftliche Verhältnisse zu setzen. Nutzpflanzen als berechenbares Wirtschaftsgut, was für ein schrecklicher Irrtum des Menschen, er hätte alles (vor allem die Natur) im Griff.

Höhere genetische Vielfalt

In klassischen dörflichen Gemeinschaften war es üblich, dass das gewonnene Saatgut untereinander ausgetauscht wurde, so wurde Inzucht der Pflanzen vermieden. Denn würde dieser Austausch nicht stattfinden, das haben die Menschen in Jahrtausenden gelernt, käme es zur Schwächung der nahrungsbringenden Pflanzen, zu Krankheiten und Ernteausfällen.

Und heute? Moderne Hochleistungsgetreidesorten sind aus den gleichen Grundsorten gezüchtet, sie sind vom Chromosomensatz her genau genommen eindimensional. Bei Tieren würde man von Inzucht sprechen. Das macht sie in großem Stil extrem anfällig für Krankheiten. Eine Infektion kann somit landesweit oder sogar weltweit ganze Ernten auslöschen. Aber die „Pflanzenpflegemittel- und Saatgutindustrie“ sagt, „wir haben alles im Griff“ und für jedes Problem eine neue Chemikalie.

Nun gut, mag kurzfristig sogar stimmen, aber wenn es daneben geht, braucht es einen Plan B. Darum ist es sehr wichtig alte Saatgüter am Leben zu erhalten.

Bei alten Getreidesorten findet bei der Saatgutherstellung eine deutlich bessere und natürliche Vermischung verschiedener Arten statt. So wird für eine höhere genetische Diversität gesorgt und die daraus angebauten Getreide sind damit z. B. deutlich robuster Krankheiten gegenüber.

Mehrwert: Hier wird uraltes Wissen konserviert und, wenn Sie alte Getreidesorten nutzen, auch erhalten.

Und was spricht gegen die alten Sorten? (Hier kommt der Kaufmann zu Wort)

Deutlich geringerer Ertrag, oft unter 10 % der Hochleistungsgetreide, daher ein vielfach höherer Preis.

Zusätzlicher Mahlvorgang, der „Gerbgang“ ist notwendig, um große Teile des Spelzes zu entfernen. Das geht nicht im Mähdrescher, sondern erst nach der abgedroschenen Ernte, Lagerung, Trocknung (Ausschwitzung). Ein direktes Vermalen wie bei modernen Hochleistunggetreiden ist hier nicht möglich.

Wenig Gluten (Protein), Bäcker z. B. können nicht ihre gewohnten Brote aus diesen backen, behaupten gar, man könne gar keine richtigen Brote daraus backen.

Fraßgifte, die die Pflanzen in Jahrmillionen ihrer Entwicklung gebildet haben, sind noch sehr aktiv. Hier ist eine gründliche Teigreife mit natürlichen Sauerteigen notwendig, die diese abbaut – und das braucht Zeit.

Logistisch lohnt der Abtransport beim Landwirt erst ab 20 – 25 t. Das ist bei kleinen Flächen mit alten Getreidesorten kaum zu schaffen. Landwirte, die sich für alte Getreidesorten entscheiden, stehen meist beim Absatz allein dar. Mit einem einfachen Hof- oder Bioladen lassen sich diese Getreide nicht wirtschaftlich weiter verkaufen.

Der Verbraucher, der sich vor allem nach unzähligen Koch- und Backbüchern richtet, nach Rezepten aus dem Internet, einschlägigen Blogs und den zahllosen Fernsehkochsendungen. Er wird hier kaum Rezepte finden für: Rotweizen, Oberkulmer, Waldstaudenroggen, usw. Also wird er diese Getreide/Mehle nicht nachfragen. Zu dominant ist der Einsatz von Auszugsmehlen vom Weizen und Dinkel. Wird Mehl als Zutat genannt, verbinden die meisten Verbraucher damit billiges 405er Stärkemehl.

In diesem Sinne, einen weniger guten Appetit!

Doch machen Sie den nächsten Kuchenteig, Brotteig, Nudelteig aus einem hochwertigen Vollkornmehl, Sie werden neue kulinarische Genüsse erleben.

Ihr

Andreas Sommers