Merkwürdiger Widerspruch
Liebe Brotbackfreunde,
heute einmal ein paar Gedanken zu - aus meiner Sicht - eklatanten Widersprüchen zum zurzeit omnipräsenten Klimathema.
In drei Monaten sind Bundestagswahlen und ein in Coronazeiten merkwürdig anmutender Wahlkampf beginnt. Hauptthema im Moment der Klimaschutz. Die Forderungen, das Klima zu schützen, werden immer hysterischer. Teilweise grauenhafte Vereinfachungen zu diesem Thema machen die Runde und werden meist kaum kommentiert, geschweige denn kritisch hinterfragt in den Hauptmedien verbreitet. Die Schuldigen für die sich anbahnende Klimakatastrophe sind schnell ausgemacht. Die böse Industrie, die Verbrennungsmotoren und natürlich die gewissenlose Landwirtschaft, der der eigene Profit über alles geht.
Mehr Naturschutz, mehr Blühflächen für Insekten, extensives (ich vermeide hier das inflationär gebrauchte Wortkürzel „Bio“) Bewirtschaften von landwirtschaftlichen Flächen. Diversität in der Landwirtschaft. Weniger Autos, mehr Bahn. Weniger LKWs, mehr Güter auf die Bahn.
Moment mal, die Bahn bekommt doch jetzt schon ihre Probleme kaum in den Griff und muss mit Milliarden an Steuergeldern unterstützt werden. Sie müsste also deutlich ausgebaut werden, natürlich auch auf Steuerzahlerkosten. Abgesehen von den Kosten, wie soll das funktionieren, wenn schon ein Windrad Bürgerproteste und Initiativen hervorruft? Diese berufen sich übrigens meist auf den Umweltschutz, den Schutz der Tierwelt usw.
Aber bleiben wir bei der Landwirtschaft, die uns alle jeden Tag zuverlässig ernährt.
Ein Kilo Rindfleisch „verbraucht“ etwa 15.000 Liter Wasser und erzeugt 30 kg CO2 laut BUND. Außerdem unterstellt der BUND, dass die meisten Nutztiere in Massenställen gehalten werden.
Rinder essen Gras, Kräuter, Wiesenpflanzen und je nach Haltungsform noch etwas Kraftfutter. Natürlich trinken die Rinder auch Wasser, auch deren Ställe müssen sauber gehalten werden, aber 15.000 Liter? In der Hauptsache setzen sich diese 15.000 Liter aus Regenwasser für die Wiesen zusammen. Aber das Wetter schert sich nicht darum, ob Rinder auf der Wiese stehen, es regnet so oder so. Interessant wäre mal wieviel Wasser 1.000 Schmetterlinge brauchen.
30 kg CO2, nehmen wir mal an, der Wert ist tatsächlich korrekt (die SusCatt Studie der Uni Kiel, veröffentlich in der Zeitschrift Agricukture 2021 gibt ein ganz anderes Bild.) Wie passt dieser Wert dazu, dass ja zuerst einmal eine Wiese geschaffen werden muss, die das Futter für die Rinder erzeugt. Diese bindet zunächst einmal das CO2, das dann wieder von der Kuh freigesetzt wird, ein Kreislauf also. Natürlich kann man die Wiesen auch als Baugebiet ausweisen, die dann zugepflastert werden. Wie sieht es dann mit dem CO2-Abdruck aus? Und mit dem Wasserverbrauch, das Regenwasser kann so nicht mehr ins Grundwasser gelangen, geht in die Kanalisation und verbindet sich mit unseren zivilisatorischen Abfällen und geht in die Kläranlage.
Jetzt wird unterstellt, dass die meisten Nutztiere in Massenställen unter nicht artgerechten Bedingungen gehalten werden. Mal abgesehen davon, dass einer ganzen Berufsgruppe, die seit Generationen Nutztiere hält, unterstellt wird, dass sie keine Ahnung von ihren Tieren hat, wie verträgt sich das Bild damit, dass - wenn ich durch Schleswig-Holstein fahre - Kühe, Schafe, Gänse, Hühner draußen auf den Wiesen fressen?
Klingt natürlich gut, mehr Platz für die Tiere und ihr Wohl. Pflanzen nicht so eng stellen, damit es gewisse Pflegemaßnahmen nicht braucht. Familiär bäuerlich geführte Hofstellen. Aber, für einen Umbau der Landwirtschaft zu einer extensiveren Bewirtschaftung braucht es gutes Ackerland, und davon deutlich mehr als besteht. Wo soll das herkommen?
Angesichts:
- Immer stärkeren Ausweisungen von Baugebieten
- Innerdeutsch soll mehr die Bahn genutzt werden, dafür braucht es aber mehr Bahntrassen, und die brauchen Platz.
- Immer mehr Naturschutzgebieten
- Immer mehr Flächen für regenerative Energien, Windkraft, Biogas
- Immer mehr Abstand zu Gewässern
- Immer mehr Investmentgesellschaften kaufen gutes Ackerland zu Höchstpreisen auf, um damit zu Spekulieren und Geld für ihre Investoren zu generieren, egal wie (z.B. brutal hohe Pachtpreise die kaum zu erwirtschaften sind).
Was ich ebenfalls merkwürdig finde, es wird nach Biodiversität gerufen, auch hier sollen die Landwirte in die Pflicht genommen werden. Zu Besuch auf den Hofstellen befreundeter Landwirte mache ich folgende Beobachtungen: Katzen! Nicht zum Kuscheln, sondern als Nutztiere. Ganz viele Kleinnager treiben sich zwischen den Ställen herum. In den Ställen Vögel, ganz viele Schwalben. Insekten? Sowieso, sicher nicht so viele Hummeln und Bienen sondern mehr von den weniger possierlichen. Käfer, Spinnen, Asseln, so ein Hof lebt. Zwischen den Feldern sehe ich Knicks. Übrigens, die Landwirte sind zur Knickpflege verpflichtet. Diese sind voll von Leben! Und das sind nur ein paar Beispiele für eine unglaubliche Biodiversität auf landwirtschaftlichen Schollen. Das alles sehe ich nicht, wenn ich durch ein Neubaugebiet bei uns in der Nachbarschaft gehe.
Es kann und muss vieles verbessert werden, keine Frage, aber das geht nur miteinander und es müssen realistische Ziele sein. Leider sind die derzeitigen politischen Forderungen so weit davon entfernt, wie die Verbraucher*innen, die eine vermeintlich gesunde Avocado im Supermarkt kaufen, von den Anbaubedingungen in Mexico.
In drei Monaten wird gewählt, und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass dann - mit welcher Regierung auch immer - wieder sachlicher und lösungsorientierter diskutiert wird.
Bleiben Sie gesund, Ihr
Andreas Sommers