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Fleisch- und Wurstwaren sind Krebserregend“. Oder: „müssen wir jetzt alle Veganer werden?“

Liebe Brotbackfreunde

Das neue Buch ist jetzt bei uns eingetroffen. Ich bin natürlich sehr stolz darauf und in den nächsten Tagen geht es an alle die heraus, die uns mit ihrer Vorabüberweisung unterstützt haben. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank.

Heute geht es nicht unbedingt um ein Brotbackthema, aber in seiner Präsenz ist es doch prägend für den Umgang mit Ernährungsthemen in Deutschland.

Vor ein paar Tagen erschütterten Schlagzeilen wie: „Wurst und Fleisch sind krebserregend“ die Konsumentenwelt. Es dauerte nicht lang und die üblichen Reflexe füllten die Medien.

 

Was war geschehen? Die WHO (World Health Organisation) hat die Ergebnisse von über 200 Studien, die einen Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Krebshäufigkeit untersuchen, zusammengetragen und bewertet. Eigentlich sind nur Voraberkenntnisse veröffentlicht worden, die genauen Ergebnisse dieser Expertise stehen noch aus. Kein Grund zur Aufregung sollte man meinen, ginge es nicht um die heiligste Kuh der Deutschen, Wurst und Fleisch. Diese sollen ursächlich für verschiedene Krebsarten, wie z. B. Dickdarmkrebs verantwortlich sein, werden in der gleichen Gruppe krebserregender Stoffe wie Nikotin und Asbeststaub eingeordnet, unglaublich! Die Reaktionen ließen nicht lang auf sich warten und eine Expertenmeinung folgte der nächsten. Veganer und Vegetarier wussten es schon immer, und schnell schaukelte sich eine Diskussion hoch, die ins Absurde abrutschte.

Statistiken, Empfehlungen, Tagesdosierungen, die ganze Vielfalt vermeintlichen Expertenwissens wurde bemüht, um den einen oder anderen Standpunkt zu unterstützen. Hier möchte auch ich nicht mit meiner Meinung hinterm Berg halten. Zuerst geht es vor allem um Wurstwaren, also um verarbeitete Fleischprodukte. Und hier steht gar nicht so sehr das Fleisch im Vordergrund, sondern Stoffe, die außer dem Fleisch den Wurstprodukten zugesetzt werden. Allen voran das Pökelsalz. Dann ist noch von „rotem Fleisch“ die Rede, also von Muskelfleisch, wobei keine Einschränkung auf das Tier gemacht wird. Weiter wird nur ganz allgemein vom Konsumenten gesprochen. Eine kleine Differenzierung zwischen Mann und Frau wird angemerkt. Ansonsten sind die Informationen sehr allgemein und statistisch gehalten.

Jeder Mensch hat ganz individuelle Ansprüche an seine tägliche Ernährung. Ich selber bin knapp 2 m groß und wiege über 100 kg. Eine Freundin ist gerade mal 1,55 m groß und wiegt die Hälfte. Für Sie sollen die gleichen Empfehlungen gelten wie für mich? Als Teenager und junger Mann habe ich viel Sport getrieben und neben der Körpergröße vor allem auch an „Breite“ zugelegt. Heute lege ich eher beim Bauchfett zu. Gelten für mich als über 50-Jährigen die gleichen Empfehlungen wie mit 18?

Auch die Wurstwaren werden nicht näher differenziert. Ein Beispiel aus meiner Praxis: Mein Marktkollege, Peter der Schlachter, macht sehr gute Wurstwaren. Viele Kräuter, Gewürze, gern Liebstöckel und Kardamom, wenig Salz und noch weniger Nitritpökelsalz. Also das absolute Gegenteil von den 99-Cent-Wurstwaren, die man beim Discounter kaufen kann. Hier liegen Welten dazwischen. Leider habe ich keine Angaben gefunden, welche Wurstwaren für die Studien genutzt wurden. Mein Schlachterkollege hat jedenfalls noch nie von solchen Studien gehört. Seine Wurstwaren wurden also nicht untersucht.

Beim „roten Fleisch“ ging es vor allem um rohes Fleisch. Was jetzt aber letztendlich die Gefährdung auslöst, wird nicht näher beschrieben. Rohes Muskelfleisch, womöglich frisch und falsch gelagert, ist zum Verzehr gar nicht geeignet. Viele Keime tummeln sich darin, die nicht wirklich gesund sind. Ob die Studien solches Fleisch genutzt haben? Oder vielleicht doch gut abgehangenes und fermentiertes Muskelfleisch? Ich glaube eher nicht.

Natürlich dürfen Verzehrempfehlungen nicht fehlen: 30 – 50 g am Tag. Jemand hat ausgerechnet, dass das ja gerade mal 6 Salamischeiben wären. Ein Ernährungsexperte bemerkte dazu, dass das ja immerhin für zwei Wurstbrötchen reiche. Oh je, die armen Menschen, die nicht jeden Tag ihre große Portion Fleisch bekommen und stattdessen von Dekorations- und Sättigungsbeilagen satt werden müssen. Und warum Salamischeiben, in denen sich am ehesten Pökelsalze wiederfinden, als Beispiel? Warum kein Roastbeef?

Ebendieser Experte wurde am Ende des Interviews gefragt, ob es denn in der Kantine seines Institutes noch Fleisch gäbe. Natürlich, war die Antwort, aber es werde auch eine schöne Salatbar angehalten. Ob dem Experten klar ist, dass die meisten (Blatt-) Salate exzessiv mit Stickstoff gedüngt werden und darum der Nitratgehalt in Salat ungesund hoch ist? Krebs geht eben auch ganz ohne Fleisch.

Abschließend möchte ich bemerken, eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung wird nicht über den Tag oder die Woche definiert, sondern muss immer über einen langen Zeitraum, z. B. ein Jahr, betrachtet werden. Wer in der Grillsaison beim Fleisch tüchtig zulangt, den Rest des Jahres den Fleischkonsum aber minimiert, sollte sich von solchen Veröffentlichungen nicht kopfscheu machen lassen.

Andererseits ist natürlich von jeglicher Einseitigkeit abzuraten. Wer sich über Jahrzehnte, täglich von großen Mengen Fleisch und Wurst ernährt, womöglich noch in schlechter Qualität, sollte damit rechnen, dass sein Körper das nicht mehr verarbeiten kann. Dies kann aber auch passieren, wenn man jeden Morgen mit billigen Aufbackbrötchen oder minderwertigem Toast beginnt.

Die WHO-Studie richtet sich mehr an Wissenschaftler und Statistiker. Als Grundlage für eine Ernährungsveränderung halte ich diese nicht für geeignet.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Appetit!

Ihr Andreas Sommers